Negatives Wissen – unser „metakognitives Alarmsystem“
Versagen gilt häufig als Schwäche oder im schlimmsten Fall als Zeichen mangelnder Intelligenz. Der Schweizer Psychologe Fritz Oser interpretiert dies hingegen anders. Für ihn sind Fehler unverzichtbar als Ergebnis eines natürlichen Lernvorgangs. Wenn etwas schiefläuft, birgt diese Erfahrung eine wichtige Information. Nämlich das Wissen darüber, wie etwas NICHT funktioniert.
Wir müssen daher den steinigen Weg des Misserfolges immer wieder beschreiten, um zu der Erkenntnis zu gelangen, wie etwas richtig geht. Dieses Wissen wird abgespeichert und wieder hervorgeholt, wenn wir es benötigen. Oser nennt das, was der Volksmund mit „Aus Schaden wird man klug“ bezeichnet „Negatives Wissen“. Dieses kognitive Erkennen ist der wahre Schatz im Prozess des Scheiterns.
Oser führt an verschieden Stellen die Pilotenausbildung als Beispiel für den Aufbau negativen Wissens an. In der Hochrisikobranche des Flugverkehrs haben Fehler in der Praxis oft verheerende Auswirkungen. Daher ist ist notwendig, im Flugsimulator Fehler zu machen. Angehende Piloten lernen, ein Flugzeug unter widrigsten Bedingungen zu landen. Zu Beginn scheitern sie häufig. Obwohl es nur eine Simulation ist, ist diese mit starken emotionalen Reaktionen – physisch wie psychisch – verbunden. Die Piloten wissen nach den Fehlversuchen, was nicht funktioniert. Sie haben also „negatives Wissen“ in Bezug auf den Landevorgang aufgebaut.
Sollten sie in der Realität in eine vergleichbare Situation kommen, erinnern sie sich. Die Erfahrungen sorgen dafür, das korrigierende Verhalten schnell auszuführen – der im Flugsimulator gemachte Fehler wird kein zweites Mal ausgeführt. Emotionen spielen dabei eine entscheidende Rolle. Sie sind sozusagen die Narben eines Scheiterns. Oser nennt diese Erinnerung daher ein „metakognitives Alarmsystem“.
Voraussetzung dafür ist jedoch eine Fehlerkultur, die Fehler zulässt (oder im besten Fall Mitarbeiter ermutigt, Fehler zu machen) und diese nicht bestraft. Oder mit Fritz Oser gesagt: „Es ist nicht die Akzeptanz des Falschen, sondern die Verarbeitung des Falschen zum Richtigen hin“. Daher sollte niemand für Fehler bloßgestellt werden.